Urheberrecht: Keine Haftung des Hotspot-Betreibers bei illegalen Downloads über offenes WiFi-Netz
Herr Tobias McFadden betreibt ein Geschäft für Licht-und Tontechnik, in dem er kostenlos ein öffentlich zugängliches WiFi- Netz bereitstellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf seine Waren und Dienstleistungen zu lenken.
Über dieses Netz wurde im Jahr 2010 ein musikalisches Werk, für das Sony die Rechte innehat, rechtswidrig zum Herunterladen angeboten. Mit dem Rechtsstreit zwischen Sony und Herrn McFadden befasste sich das Landgericht München I. Diese ist der Ansicht, dass Herr McFadden selbst die betreffenden Urheberrechtsverletzungen nicht begangen habe. Es hält jedoch seine mittelbare Haftung für diese Rechtsverletzung für denkbar, da er sein WiFi-Netz nicht gesichert habe und es Zweifel bestehen, ob die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr einer solchen unmittelbaren Haftung entgegensteht.
Dies hat dem Gerichtshof eine Reihe von Fragen vorgelegt.
Die Haftung von Vermittlern, die Dienste der reinen Durchleitung von Daten anbieten, für eine von einem Dritten begangene rechtswidrige Handlung wird nämlich durch die Richtlinie beschränkt.
Diese Haftungsbeschränkung greift, wenn drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Anbieter von Diensten hat die Übermittlung nicht veranlasst.
2. Er hat den Adressaten der Übertragung nicht ausgewählt.
3. Er hat die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert.
In seinem Urteil vom 15.09.2016 - C-484/14 stellt der EuGH zunächst fest, dass ein Anbieter, der der Öffentlichkeit unentgeltlich ein WiFi-Netz zur Verfügung stellt, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden auf die Waren oder Dienstleistungen eines Geschäfts zu lenken, damit einen „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie erbringt.
Der Gerichtshof bestätigt weiter, dass dann, wenn die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind, keine Haftung eines Anbieters bestehen kann, der wie Herr Mc Fadden Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt. Daher hat der Urheberrechtsinhaber gegen diesen Anbieter keinen Anspruch auf Schadensersatz, weil Dritte das WiFi-Netz zur Verletzung seiner Rechte benutzt haben. Da ein solcher Schadensersatzanspruch nicht besteht, kann der Urheberrechtsinhaber auch keine Erstattung der für sein Schadensersatzbegehren aufgewendeten Abmahn- oder Gerichtskosten verlangen.
Hingegen läuft es der Richtlinie nicht zuwider, dass der Urheberrechtsinhaber bei einer innerstaatlichen Behörde oder einem innerstaatlichen Gericht eine Anordnung beantragt, mit der dem Anbieter aufgegeben wird, jeder Urheberrechtsverletzung durch seine Kunden ein Ende zu setzen oder solchen Rechtsverletzungen vorzubeugen.
Der Gerichtshof stellt schließlich fest, dass eine Anordnung, mit der dem Anbieter die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort aufgegeben wird, geeignet erscheint, eine Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) (ABl. L178, S. 1 www.curia.europa.eu) Gleichgewicht zwischen den Rechten von Rechtsinhabern an ihrem geistigen Eigentum einerseits und dem Recht der Anbieter von Internetzugangsdiensten auf unternehmerische Freiheit und dem Recht der Internetnutzer auf Informationsfreiheit andererseits herzustellen. Der Gerichtshof weist insbesondere darauf hin, dass eine solche Maßnahme dazu angetan ist, Nutzer eines Kommunikationsnetzes von Urheberrechtsverletzungen abzuhalten.
Um diesen Abschreckungseffekt zu gewährleisten, ist es allerdings erforderlich, dass die Nutzer, um nicht anonym handeln zu können, ihre Identität offenbaren müssen, bevor sie das erforderliche Passwort erhalten.
Dagegen schließt die Richtlinie ausdrücklich Maßnahmen aus, die auf eine Überwachung der durch ein Kommunikationsnetz übermittelten Informationen abzielt. Auch eine Maßnahme, die in der vollständigen Abschaltung des Internetanschlusses bestünde, ohne dass die unternehmerische Freiheit des Anbieters weniger beschränkende Maßnahmen in Betracht gezogen würden, wäre nicht geeignet, die einander widerstreitenden Rechte in Einklang zu bringen.
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 99/2016 v. 14.09.2016